Freitag, 2. Juni 2017

Body Doubles

Eine Klasse des Gestalterischen Vorkurses für Jugendliche der Schule für Gestaltung in St. Gallen besuchte im Fach Kunstbetrachtung die Ausstellung «Body Doubles» in der Lokremise. Nach einem gemeinsamen Ausstellungsrundgang mit Führung bekamen die Schülerinnen und Schüler den Auftrag, eine Hommage an ein freigewähltes Werk zu gestalten. In der Wahl der Technik und der Art und Weise der Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk waren die Lernenden frei. So entstanden unterschiedliche Werke wie theoretische Texte, Kurzgeschichten und gestalterische Arbeiten. Eine Auswahl dieser Hommagen ist hier zu sehen.


Hommage 1
zur gesamten Ausstellung BODY DOUBLES




von Lea B. & Nadine G. 



Hommage 2
zu: Franz West, "the first Passstück", 1978/1994




von Janina H. 



Hommage 3
zu: Franz West, "Sieben Säulen", 1989



von Lisa Kim Y.



Hommage 4
zu: Urs Fischer, "Late Night Show", 1997

von Nuria S.


Hommage 5
zu: Franz West, "Iwan (Chaiselongue, bewegliche Skulptur auf Sockel)", 1994


von Michelle E. und Ashanti Z.



Hommage 6
zu: Franz West, "Habitus", 1996




von Pascal R.


Hommage 7
zu: Hans Josephsohn, Ohne Titel (Halbfigur), 1988


von Janik D.

Hommage 8
zu: Franz West, "Passstücke", 1978/1994

Zwangsneurose
Ich schlendere gerade durch das Museum. Flüchtig schaue ich mich durch die Kunstgalerie durch. Gerade will ich meinen Blick von dem für mich zu euphorischen Gemälde abwenden, mein Kopf dreht sich schon zum nächsten Gemälde und da sehe ich es. Ich kann es nicht fassen. Alles in mir fängt an zu kribbeln. Langsam gehe ich auf das Gemälde zu. Ich schau einmal nach links, einmal nach rechts. Nervös halte ich meine Hand nach oben und berühre das Bild leicht, ich umfasse es nun fester, zögerlich bewege ich es ein Stück nach rechts und entferne mich von dem Bild. Gute drei Meter. Es hängt immer noch nicht gerade. Wieder laufe ich auf das Bild zu, verschiebe es noch ein ganz kleines Stückchen nach links. Zwei Meter vor dem Bild mache ich halt und analysiere es nochmal genau. Noch 5 Millimeter nach rechts dann ist es perfekt, denke ich mir und gehe wieder auf das Bild zu. Ein Blick nach rechts und links, verrät mir, dass die Leute mir merkwürdige Blicke zuwerfen. Ich verschiebe das Bild, gehe zurück und schaue es an. Skeptisch durchlöchere ich das Bild sogar. Nur noch das letzte mal, denke ich und versuche mich selber zu beruhigen. Mit dem Gedanken daran das sicher bald Sicherheit Leute auftauchen würden, werfe ich Blicke nach Rechts und links. Schnell laufe ich auf das Gemälde zu, verschiebe es das letzte Mal, bevor die zwei Uniform tragende Männer mich darauf ansprechen können das Bild nicht zu berühren. Mein Körper entspannt sich, meine Nerven sind beruhigt, ein erleichtertes Seufzen entweicht mir. Mit einem Grinsen schaue ich das gerade hängende Bild an, wende meinen Blick davon ab und schlendere weiter durch die Kunstgalerie. Mein Bauch zieht sich schon zusammen, als ich mich umdrehe und das Bild sehe, das sogar noch schräger hängt, als das vorherige.

Angstneurose
Zögernd drücke ich den Knopf, für den Lift. Das Kunstmuseum hat insgesamt 4 Stockwerke, ich wäre zu Fuss gegangen, liebend gerne, doch kann ich nicht. Ich stütze mich auf den nervtötenden Krücken ab um meinen Fuss zu entlasten und warte nervös auf den Lift. Die üblichen, laut meinen Freunden; übertriebenen, Angstgefühle fangen wieder an hoch zu kommen. Ich fasse an meine Brust und versuche meinen Atem zu beruhigen. Das Geräusch, von dem ich wohl, am meisten Angst habe, das ich verabscheue, dass mir einen Schauer durch den Rücken jagt, ertönt für mich vermutlich lauter als für die anderen Menschen. Ping, macht es. Ich erschrecke mich. Die eigentlich unerträglichen schmerzen an meinem Fuss verschwinden schnell aus Angst in den Lift zu steigen. Ich nehme die Krücken zögernd in die Hände, mache einen zögernden Schritt nach dem anderen, die Leute hinter mir fangen an nervös von einem Bein zum anderen zu treten, ich höre ungeduldige Seufzer. Ich reisse mich zusammen und geh entschlossen meine Schritte. Fest drücke ich mich an die Liftwand und presse meine Augen zusammen. Du schaffst das, rede ich mir selber ein. Mein Atem geht alles andere als flach, als sich die Türen schliessen. Panik überkommt mich, der Lift schiesst in die höhe. Schweiss rinnt mir an der Stirn runter, meine Augen werden wässrig, der Lift wird immer enger. Die Leute um mich fragen ob es mir gut geht, doch ich realisiere nichts bis auf die Wände die mich immer mehr zusammen engen. Meinen Körper habe ich nicht mehr im Griff, ich fange an zu schreien, ich will einfach raus. Ich zittere, schlage an die Lifttür, die Leute schauen mich ängstlich an, ich gebe, sacke in mich zusammen meine Augen werden schwer, bevor sie sich ganz schliessen, sehe ich wie ein grelles Licht in die Tür scheint, wie Zeitlupe kommt es mir vor, dass sich die Türen öffnen. Doch es ist zu spät, meine Augen schliessen sich.

Franz West, Passstücke Neurose
Meiner Meinung nach ist es sehr beeindruckend und kompliziert, etwas bildlich darzustellen, dass man mit blossem Auge nicht sehen kann. Franz West, hat mich sehr fasziniert, dass er sich der Aufgabe gewagt hat und die Krankheit Neurose in einer Skulptur fest gehalten hat. Als Betrachter dieser Skulpturen, fühlte ich mich näher zu der Krankheit und konnte sie ein Stück verstehen. Aufgrund dessen, das ich so beeindruckt war, wollte ich mehr über die Krankheit ‘Neurose’ erfahren. Da ich nicht eine Skulptur dazu machen wollte, hatte ich die Idee, dass was ich gesehen habe mit Text zu verbinden. Ich bin auf die Idee gekommen, zwei Texte zu schreiben, mit je einer anderen Neurose Art (Angstneurose, Zwangsneurose.) Ich wollte jedoch nicht das dies einer Dokumentation ähnelt, deshalb dachte ich, ich mache das in einer Art und Weise, wie eine Kurzgeschichte. In diesen zwei Abschnitten wird in der ‘Geschichte’ erklärt wie diese Neurose abläuft. Der Ablauf war sehr simpel, zuerst habe ich Neurosen Arten rausgesucht und Gefiltert, danach habe ich die einzelnen Arten zu recherchieren begonnen und dies dann in eine Kurzgeschichte abgewandelt.

von Lara G.


Hommage 9
zu: Franz West, "Iwan (Chaiselongue, bewegliche Skulptur auf Sockel)", 1994


Als ich das Kunstwerk von Franz West das erste Mal sah, fragte ich mich, wie dieses wohl entstand. Vor allem die verschiedenen Stoffteile, fand ich interessant und stellte mir vor, wer oder was sie vorher getragen/dargestellt haben. Dazu kamen mir viele verschiedene Geschichten in den Sinn. Ich konnte mir gut vorstellen wie eines der Stücke zuvor ein hübsches Kleid einer jungen Frau war oder eine Hose für einen kleinen Jungen.
So entstand meine Idee für dieses Projekt, in dem es um ein Kunstwerk dieser Ausstellung gehen sollte.


Pink
Sicht von Anna-Marie
Zwanzig. Genau Heute wurde ich zwanzig. Ja Geburtstage sind bei mir so eine Sache, es kann schön sein, wenn man Geschenke bekommt und Freunde und Familie zu Besuch kommen. Das grosse Aber ist, dass es einfach ein riesiger Stress ist. Die ganze Wohnung muss geputzt werden, man muss backen und davor natürlich noch alle Zutaten einkaufen, Gastfreundlich sein, sich mit jedem nett unterhalten und als krönenden Abschluss das Ganze wieder aufräumen. Man kann jetzt sagen, ist ja nur ein Tag im Jahr, aber genau an diesem Tag muss mir natürlich ein grosses Missgeschick passieren.
Schon früh Morgens stand meine Mutter vor der Tür, in der Hand trug sie einen grossen Blumenstrauss und ein Geschenk mit gestreiftem Packpapier eingepackt. Mit lauten Glückwünschen, die sicher jeder in diesem Haus hörte, begrüsste sie mich. Ich bin mich daran gewöhnt, jedoch bescherte sie mir in meiner Jugend sehr viele, für mich peinliche Situationen. Kommen wir zurück zu eigentlichen Thema, sie drückte mir das Geschenk in die Hand und sagte mir ich soll es öffnen. Sie selber ging in die Küche und holte eine Vase für die Blumen. Mit grosser Vorfreude öffnete ich das Geschenkpapier und zum Vorschein kam ein knall Pinkes Kleid. Vor lauter Freude fiel ich meiner Mutter um den Hals und dankte ihr vielmals und ja auch mit zwanzig darf man Pink noch mögen.
Da es mir so sehr gefiel zog ich es mir gleich an und gesellte mich zu den Gästen, die nach und nach kamen. Natürlich öffnete ich dabei auch einen sehr guten Rotwein, was im Nachhinein eine schlechte Idee war. Ich sehe es jetzt noch in Zeitlupe vor mir. Ich setzte das Glas an meine Lippen um einen Schluck zu trinken, zur selben Zeit sprang meine Katze, die übrigens sehr süss ist aber ich in diesem Moment einfach hasste, auf meinen Arm. Ich erschrak und mein ganzes Weinglas ergoss sich über mein neues Pinkes Kleid. Man mag jetzt vielleicht denken Weinrot passt zu Pink. Ja mag sein aber man erkennt auch, dass es ein ungewollter, grosser Weinfleck ist. So und jetzt sitze ich hier auf meiner Couch völlig kaputt und trauere meinem pinken Kleid nach…


Grün
Sicht von Manuel
Samstagmorgens steh ich im dicken Nebel vor einem alten Haus. Aber nicht irgendein Haus, nein das Haus von meinem verstorbenen Grosseltern. Früher spielte ich hier fangen mit meinen Geschwistern oder versteckte mich vor meinem Grossvater, dem ich bei der Gartenarbeit helfen sollte. Hier verbrachte ich ein grosser Teil meiner Kindheit. Es strahlte immer Freundlichkeit und Wärme aus, ganz anders wie jetzt, verlassen und kalt. Ein kalter Schauer läuft meinen Rücken hinunter und ich geh ein paar Schritte auf das Haus zu.
Nach dem Tod meiner Grosseltern wollte sich niemand in unserer Familie der Herausforderung stellen, dieses Haus zu räumen und dabei all die Erinnerungen an sie aufzufrischen. Jetzt nach einem Jahr bin ich der Herausforderung gewachsen.  Mit einem etwas mulmigen Gefühl öffne ich die alte und knarrende Tür. Im Inneren des Hauses sieht es immer noch gleich aus. Obwohl alles sehr verstaubt ist und daher überhaupt nicht wie vorher war, da meine Grossmutter ein Putzfimmel hatte, zum leiden von uns Enkelkindern. Bei dieser Erinnerung schleicht sich ein Grinsen auf mein Gesicht, wir ärgerten meine Grossmutter gerne in dem wir Unordnung veranstalteten. Nach dem ich mich im ganze Haus umgesehen habe, stand ich vor der Leiter die zu dem Dachboden führte. Dies war der einzige Ort, wo wir früher nie hin durften. In dem Testament meiner Grosseltern war dann der Schlüssel für den Dachboden und mich interessiert es sehr was sich wohl hinter dieser Tür befindet.
Nervös öffne ich die Tür und trete langsam über die Schwelle. Der ganze Dachboden ist mit alten Kisten und Möbelstücken vollgestellt. Nach etwa einer Stunde finde ich eine Kiste mit Aufschrift Militär . Ich öffne die Kiste und sehe als erstes ein altes Tagebuch und eine alte Militäruniform. So wie es aussieht ist das Tagebuch und die Uniform von meinem Grossvater, der im 2. Weltkrieg an der Schweizer Grenze stehen musste.
Dies und noch vieles mehr erfuhr ich durch das Tagebuch und die schöne alte Uniform in grün und war einerseits glücklich über diese Informationen anderseits auch traurig, da ich nicht persönlich mit meinem Grossvater darüber reden konnte und ihm noch Fragen zu stellen…


neon Gelb
Sicht von Stefanie
Kennt ihr das, wenn der Kleiderschrank so voll ist, dass er bald platzt, ihr aber jeden Morgen davor steht und nichts zu anziehen findet? Genau so geht es mir jeden Morgen und ich bin echt genervt davon. Ich habe deshalb entschlossen die ganzen Klamotten, die ich nicht mehr anziehe, auszusortieren. Naja, leichter gesagt als getan.
Nun steh ich seit knapp einer Stunde vor diesem Schrank und bin bei jedem Kleidungsstück erstaunt, dass ich es noch oder überhaupt besitze. Es kann sein, dass ich viel einkaufen gehe aber das es wirklich so viel ist, war mir nicht bewusst. Ich sortiere vor allem Dinge aus die ich schon lange habe und nicht mehr trage. Mir fiel es aber sichtlich schwer mich von den Klamotten zu trennen.
Ich schaue die wenigen Kleider in meinem Schrank an und freue mich, dass ich es bald geschafft habe. Da kam unter den restlichen Klamotten leuchtende Stoffe zum Vorschein. Etwas irritiert betrachte ich diese und mir fällt ein, was es ist und kann es kaum glauben.
Ihr kennt sicher den Trend von den 80er, als alle in neon farbigen Klamotten rumliefen. Genau solche Teile liegen hier vor mir und ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Ich hätte nie gedacht, dass ich solche Teile noch besitze. Ich nehme ein neon gelbes Kleidungsstück und erkenne erst jetzt was es ist, und zwar ist es einer dieser Sportbodys, die wie eine zweite Haut anliegen und hochgeschnittene Beinöffnungen haben.
Vor dem Spiegel stehend, mit dem neon gelben Body und den grünen Stülpen und konnte nicht mehr vor Lachen und fragte mich wieso ich das so cool fand. Wild im Zimmer umher tanzend, schwelgte ich in den Erinnerungen…

Ich denke so haben alle Kleidungsstücke ihre Geschichten, wie auch die Stoffstücke aus dem Kunstwerk von Franz West.

von Marina K.


Mittwoch, 12. Oktober 2016

Paul McCarthy

Im Rahmen des Bachelorseminars "Messed up? Die Mechanismen des Kunstbetriebs" der Universität St.Gallen haben sich fünf Studierende mit den Werken von Paul McCarthy in der Lokremise beschäftigt. Nach einem Rundgang im gemeinsamen Gespräch haben sich die Studierenden  jeweils eine Arbeit des Künstlers ausgesucht und einer genaueren Betrachtung unterzogen. Ein in der Ausstellung entstandener Schnappschuss zeigt jeweils einen speziell gewählten Blickwinkel auf das Werk. Der nachfolgende Text beinhaltet eigene Überlegungen, Meinungen und Interpretationen der Studierenden zum jeweiligen Werk.


White Snow Dwarf (Bashful), 2010




In den Händen von McCarthy wurde Pimpel, der kleine Zwerg von Schneewittchen, in einen rosaroten Gartenzwerg mit einer rauen und unebenen Silikonoberfläche transformiert. Neben seinen Füssen findet man die bekannte Sextoys, die immer wieder in verschiedene Oeuvre von McCarthy auftauchen. Die gewählten Formen und die sehr kitschige Farbe lassen das glatte Fleisch des Zwergs noch mehr auffallen und charakterisieren die künstliche Seite von Disney. Bei der Ausstellung ist diese künstliche Seite weiterhin betont, da die Zwerge von anderen Skulpturen, welche eine „pornographische Interpretation“ des Cartoons anbieten, eingekreist sind. Diese Schuhe sind ein perfektes Beispiel, um diese gefälschte Welt und Paradies, die durch Disney repräsentiert werden, zu zeigen. (Giulia C.)


White Snow Dwarf (Sneezy), 2010




Besichtigt man die Ausstellung von Paul McCarthy, begegnet man Werken, welche alle Aufmerksamkeit erregen und schockieren. Eines darunter auszuwählen, welches mir persönlich besonders ins Auge stach war eine dementsprechend schwierige Aufgabe. Meine Wahl fiel auf seinen weissen Zwerg. Dieser spiegelt für mich im Besonderen die Diskrepanz zwischen etwas Unschuldigem und etwas geradezu Verstörendem ab. In der Menge der neun Zwerge McCarthys sticht er mit seiner „Farblosigkeit“ heraus. Weiss steht für Unschuld und Reinheit, der Zwerg selbst stammt aus einem, eigentlich, von Disney verharmlosten Kindermärchen. Tritt man jedoch näher heran und betrachtet die Skulptur genauer, erkennt man, wie sehr dieser Schein trügt.
Zerrüttet beschreibt das Aussehen der Skulptur wohl am ehesten. Eine Hand liegt deformiert am Boden, von der anderen existieren nur noch einzelne Elemente, welche wie Sehnenstränge aus dem Körper ragen. Es erinnert an eine Klaue, welche nach vorne ins Leere greift und jeden Moment zupacken könnte. Auch das Gesicht, wenn man von einem solchen sprechen kann, wirkt befremdlich. Die Nase ist mit einer Socke bedeckt, das Gesicht sieht aus wie männliche Geschlechtsorgane. Der Blick des Zwerges ist verstörend, während ein Auge unter der Mütze versteckt ist, sieht das andere aus als sei es zerstochen worden. Die Lippen bilden eine „Oh“ Form – der Ausdruck von Lustempfinden? Auch die „Nase“ und die abgetrennte Hand erinnern an Symbole der Selbstbefriedigung.
McCarthy konfrontiert mit dieser Symbolik den Betrachter mit einem Tabuthema der Gesellschaft. Auch die explizite Sexualität dieses Werkes steht im Kontrast zu der Unschuld des Kindermärchens und der weissen Farbe.
Eine weitere Kritik die das Werk aufwirft, bezieht sich auf die zerrüttete Gesellschaft. Der Kopf des Zwerges ist zertrümmert, aus dem Hinterkopf ragen Kabel hervor. Es erinnert an den Menschen als eine immer funktionierende Maschine. Auch das grob wirkende Material, welches aussieht als würde es von der Figur abfallen deutet auf diese Zerrüttung hin. Auf dem Sockel der Figur lassen sich neben dem „abgefallenen“ Material auch Spachtel erkennen. Es kommt die Frage auf, ob damit versucht werden soll, eben dieses Material wieder an den Zwerg anzubringen. Oder stehen die Spachtel für etwas, was abgedeckt werden soll? Ein Teil des Sockels, welcher vorgibt aus Holz zu sein, scheint bereits verdeckt worden zu sein, was jedoch nur mässig gelingt.
Neben den Spachteln liegen noch weitere Arbeitsmaterialien auf dem Sockel. Es lassen sich ein Bleistift, Schaumgummiplatten und etwas wie Eisenstangen erkennen. Es wirkt, als sei das ganze Werk ein unfertiges Konstrukt. Das Thema des Scheins spiegelt sich gesamthaft wieder. Einerseits in den Unterschieden, was das Werk zu sein scheint und was es ist, andererseits im verwendeten Material selbst. Während es wie unterschiedliche Materialien wirkt (Holz, Metall, Textilien) besteht es lediglich aus Silikon. Es wirft erneut die Frage der Gesellschaft auf. Ist alles nur Schein? Die Spachtel verstärken diesen Effekt.
Die Skulptur wirkt aus keiner Perspektive normal und je länger man sie betrachtet, desto unwohler wird einem dabei. Wobei das Groteske gleichzeitig abschreckend wie faszinierend wirkt. (Jacqueline S.)


Dopwhite, WS, 2009




Dieses Bild verkörpert Ironie – die Ironie der Gesellschaft. Es löst in mir keinerlei Wertschätzung von Ästhetik aus. Doch muss Kunst ästhetisch sein, muss Kunst «schön» sein?
Wenn ich lese, wie sich ein Grossteil der Gesellschaft von McCarthys Werken provozieren lässt, die Bilder und Skulpturen als hässlich und pervers bezeichnen, zaubert mir dieser Zustand ein Schmunzeln auf die Lippen.
Zelebriert nicht die heutige Gesellschaft unbewusst, mit den gegenwärtigen Körperbildern und Idealen der Werbung, den Gipfel der Perversion? Aber wenn ein Künstler eine Vagina auf seinem Bild zeigt, schütteln alle unverständlich den Kopf.
Muss Kunst «schön» sein? Nein. Für mich muss Kunst bewegen, hinterfragen, polarisieren, wie dieses Bild. (Rafael H.)


Santa with Butt Plug (foam maquette), 2006




In der westlichen Kultur wird Santa Claus als Symbol für Fröhlichkeit und Familie betrachtet. In einer sehr rohen Art und Weise, zerstört Paul McCarthy dieses Komfortgefühl indem er den Weihnachtsmann mit einem Sextoy ausstattet. Dieses Sextoy entzieht ihm seine Unschuld. Dieses Thema kommt immer wieder in der Ausstellung vor und wird mithilfe von Horrorszenen illustriert. Paul McCarthy mag es die Leute zu zeigen, was die Gesellschaft missbilligt, wie beispielsweise kopflose Schweine oder eine nicht traditionelle Sexualität. (Samuel W.)


Dopwhite, WS, 2009




Als ich Dopwhite zum ersten Mal sah war ich total fasziniert. Die Größe, die Farben und die Komposition gefiel mir von Anfang an sehr gut. Nachdem ich das Werk aber genauer und von näher betrachtete und die einzelnen Details, die man von weitem nicht erkennen konnte sah,  veränderte sich meine Auffassung schlagartig. Im Zentrum des Bildes befindet sich ein Zeitschriftenauszug einer nacktem Frau, die ihre Beine auf gespreizt hat und sich an ihrer intimen Stelle berührt. Schon nur, dass er dieses Bild ins Zentrum seines Werkes gesetzt hat, verstört mich persönlich. Es ist zu vermuten, dass dieser Auszug aus einem pornografischen Magazin das Geschlechtsteil des Schneewittchen darstellen soll.
Meiner Meinung nach ist das interessante an dieser Zeichnung die Darstellung des Schneewittchens. Dadurch, dass er sie zweimal gezeichnet hat wirkt es auf mich als würde McCarthy ihr eine schizophrene Persönlichkeit verleihen. Auf der einen Seite hat sie immer noch das märchenhafte, liebe und unschuldige Gesicht, während sie auf der anderen Seite einen versauten, mit Drogen versehrten Eindruck erweckt. Somit spricht der Künstler viele Tabus und gesellschaftskritische Themen an.  Zum einen spielen die Sexualität und die Drogen eine wichtige Rolle zum anderen aber auch die Oberflächlichkeit und Falschheit unserer Gesellschaft. Diese Themen kommen in diesem Werk sehr schön zur Geltung. Schon nur, dass das Papier nicht in perfektem Zustand eingerahmt wurde und den Eindruck erwecken könnte, dass das Werk kaputt oder unvollständig sei, ist ein eigentliches No-Go in der Kunstbranche. Paul McCarthy verleiht seinen Werken eine Art Gleichgültigkeit und Arroganz, stellt sich über all den Regeln der Gesellschaft und lässt kein Thema unberührt.
Das Motiv des Schneewittchen wird hier nicht zum ersten Mal mit dem Drogenkonsum assoziiert. Schon im Jahr 2005 kam ein Schweizer Film namens Snow White heraus, der davon handelt, wie ein unschuldiges Mädchen sich in der falschen Typen verliebt und im Drogenrausch versinkt. Die Farbe Weiß und somit auch Snow White (Schneewittchen) wird mehrmals mit der Droge Kokain in Verbindung gebracht. McCarthy spielt mit diesem Leitgedanken. Schon nur der Titel Dopwhite spricht alles darauf hin.
Ich habe dieses Werk aus der beindruckenden Sammlung von Frau Hauser ausgewählt, weil es meiner Meinung nach den Künstler und seine Art und Weise am Besten zur Geltung bringt. Dieses Papier mit seiner unübersichtlichen, wirren Zeichnungen und der Collage, welche aus verschiedenen Verbrauchsmaterialien wie zum Beispiel einem Verpackungskleber, einem gebrauchten Pinsel oder einem benutzten Latex Handschuh besteht, verleihen dem Werk ein versautes, schmutziges und schockierendes Gefühl. Genau diese Stimmung will der Künstler mit seiner Kunst bei seinen Mitmenschen auslösen.
Sobald sich die Zuschauer hinterfragen, was er denn genau aussagen will, ist sein Job als Künstler getan und er kann sich seinen neuen Projekten widmen. In meinen Augen ist Paul McCarthy gleichzeitig ein Genie und ein Verrückter. Doch diese gehen auch oftmals Hand in Hand. Er spricht Themen an, die trotz ihres prägnanten Daseins in unserer Gesellschaft oft verstummen und nicht diskutiert werden.
Mit seiner Kunst hat er meines Erachtens diese Überbrückung erfolgreich gemeistert und hat nicht ohne Grund Millionen von Bewunderer Weltweit. (Sharon M.)

Dienstag, 10. Mai 2016

Simon Starling - Zum Brunnen

Fachmittelschülerinnen und -schüler der Kantonsschule am Brühl St.Gallen haben die Ausstellung in der Lokremise besucht und die dabei gewonnen Eindrücke und Überlegungen eine Woche später im Schulzimmer mittels unterschiedlicher Techniken visualisiert.



Tabernas Desert Run, 2004





Wie können wir den CO2-Ausstoss vermindern?
Diese Frage haben wir mit dem Kunstwerk Tabernas Desert Run von Simon Starling in einer Collage und einem Aquarellbild verbunden. Unsere ersten Eindrücke haben wir so festgehalten. Vor allem das Motiv des Antriebs spielt für uns eine grosse Rolle. Simon Starling hat mit seinem "Abfallprodukt" Wasser ein Aquarellbild gemalt. Auf die gleiche Weise haben wir dann die dazugehörige Statue gestaltet.


Le Jardin Suspendu, 1998







Project for a Floating Garden (After Little Sparta), 2011/15




Unsere Darstellung ist eine Verbildlichung des Textes „Project for floating Garden“ des Künstlers: Dabei sind die Elemente Radioaktivität, Tod, Selbstversorgung, U-Boot, Schottland und die Natur herausgehoben und in Verbindung zum Objekt gestellt.


Carbon (Hiroshima), 2010




Das Fahrrad, die Kettensäge und das Holz befinden sich in einer Dreiecksbeziehung. Als Fortbewegungsmittel wird das Fahrrad von dem Motor der Kettensäge angetrieben, die gleichzeitig für das Fällen des Baumes zuständig ist. Simon Starling zeigt in dieser spannenden Dreieckskonstellation die wechselseitige Beziehung vom Fahrrad, Motorsäge und dem Baum auf.

Dienstag, 6. Oktober 2015

MIX

Sieben Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Heerbrugg mit dem Schwerpunktfach Musik haben sich einen Nachmittag lang mit Phyllida Barlow beschäftigt und die Kunstwerke der Ausstellung mit Werken der Musik des 20. Jahrhunderts verglichen. Die spannenden Vergleiche, die bei dieser Disziplinen-übergreifenden Auseinandersetzung entstanden sind, haben wir in diesem Blog zusammengestellt.
Untitled: roughtubes & Anton Webern: Variationen für Klavier op. 27
untitled: roughtubes, 2012

Musikstück zum anhören: Anton Webern: Variationen für Klavier op. 27

Gemeinsamkeiten:
Beide Kunstwerke sind individuell, chaotisch und haben keine Struktur. Der Grad zwischen Kunst und irgendwelchen zusammengewürfelten Tönen oder Materialien ist ziemlich klein, weshalb sie auch oft kritisiert werden. Es wird Unvollständigkeit und eine Art Schrägheit übermittelt. Nicht unbedingt schön, doch interessant und faszinierend. Beide kann man aus verschiedenen Perspektiven sehen. Man kann um das Gebilde "roughtubes" gehen und seinen Sichtpunkt ändern, wie man das Musikstück als schräg bezeichnen kann oder als interessante Alternative zur "normalen Musik". Die Röhren der Skulptur weisen Ähnlichkeiten zur Achsenspiegelung der Noten des Liedes auf.

Unterschiede:
Während die op. 27 zackig gespielt wird, ist es im Sinn von Phyllida Barlow, dass man sich Zeit nimmt, wenn man ihre Kunstwerke betrachtet. Durch die pinken Farbfragmente wird das Gebilde auch verharmlost und strahlt eine gewisse Freundlichkeit aus, die in Weberns Stück nicht vorkommt.

Schlusswort:
Alles in Allem passen die Kunstwerke gut zusammen, da sie sich beide von der Masse abheben und viele Gemeinsamkeiten aufweisen.
(H. Hörtner)
Untitled: holed wall & Anton Webern: Variation für Klavier op. 27
untitled: holedwall, 2012


Wenn man dieses Stück anhört und gleichzeitig die Skulptur Holed Wall anschaut, ist das Erste was mir auffällt, dass beide sehr durcheinander sind. Doch mit längerem Betrachten und Hören bemerkt man eine leichte Struktur, Stellen die sich immer wieder wiederholen im Stück und an der Skulptur. Das Stück regt einen zum Gehen an und die Skulptur will auch, dass man sie von allen Seiten betrachtet, nicht nur aus einem Blickwinkel. Bei beidem gibt es Elemente die sofort herausstechen und zueinander passen. Diese erkennt man wenn man genauer hinhört beziehungsweise hinsieht.
Eine weitere Gemeinsamkeit für mich ist, dass das Kunstwerk sehr biomorph erscheint und wie eine Koralle oder ein Wasserwirbel aussieht. In dem Stück von Anton Webern wirbelt er mit den Tönen herum.
Anton Webern will mit seiner Musik die Poetik dahinter rüberbringen, das ist auch so bei diesem Kunstwerk. Denn jeder kann hinein interpretieren was er will, was manchmal fast wichtiger ist als das Kunstwerk selbst.

Ich finde auch, dass die rosa Farbe in der Skulptur das Ganze noch aufheitert und fröhlicher gestaltet. Solche Elemente gibt es auch in dieser Musik dazu.
Beide Sachen also, die Musik und das Kunstwerk dazu, sind sehr individuell und passen gut zueinander. 

(Ch. Beerli)
Untitled: brokenshelf 4 & John Adams: China Gates 

untitled: brokenshelf 4, 2011
Musikstück zum anhören: John Adams: China Gates


John Adams: China Gates
Untitled: brokenshelf
Gemeinsamkeiten
Unterschiede
-freudig
-ruhig
-unendlich
-offen (wie eine Türe)
-Chinesische Mauer

-nicht dicht, weist aber auch keine Lücken auf
-Notenbild sieht wie Latten aus

-gleichmässig & doch Zwischenstrukturen
-helle Farben / freundlich
-endlich (Holz hat ein Ende)
-sehr dicht
-wirkt zusammengebastelt
-Hauptmaterial: Holz
-Farbwahl, einfach gemischt, passt nicht so recht zusammen

-helle Farben = helle Töne
- beides 'Lückenlos'
-Freudige Farben/
  Freudige Musik
-'Strukturbild' gleich
-Farben wie auch Töne passen
  nicht so recht zusammen
-die Holzlatten sind begrenzt,
  haben ein Ende
-Musik ist eher fortlaufend

 (J. Gächter)